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Trends in der SicherheitsTechnologieentwicklung und deren potentiellen Auswirkungen auf die zukünftige Gesellschaft

Institution:

Freie Universität Berlin
Institut für Informatik
AG Interdisziplinäre Sicherheitsforschung

Projektleitung:
Mitarbeiter/innen:
Förderung:

-

Projektlaufzeit:
01.04.2019 — 31.12.2021
Ansprechpartner/in:
Prof. Dr. Lars Gerhold
Homepage:

Das Projekt STAGe beforscht die zunehmende Technisierung der Sicherheit. Immer mehr Verantwortung für Sicherheit wird an technische Systeme delegiert. Dies betrifft z.B. die Bereiche Detektion (Sensorik), Identifikation (Biometrie), Überwachung, Automatisierung der Datenanalyse und –speicherung, Schutzausrüstung und Vorhersage (vgl. u.a. Kaufmann 2012). Entwicklungen weltweit zeigen einen deutlichen Anstieg immer neuer Entwicklungen und Innovationen in allen benannten Bereichen, welche je nach gesetzlicher und politischer Lage bereits im Einsatz sind oder deren Einsatz vorbereitet wird. Ziel der Forschungsarbeit ist es, diese Entwicklungen zu erfassen, sie in die nächsten Jahre fortzuschreiben und im Hinblick auf ihre möglichen Auswirkungen in Deutschland zu untersuchen. Die zentrale Forschungsfrage lautet: Was sind Trends, die die Technologieentwicklung im Bereich Sicherheit in den nächsten zehn bis fünfzehn Jahren beeinflussen und wie könnten diese das Zusammenleben der Menschen beeinflussen?

Die fortschreitende Technisierung der Sicherheit lässt sich unterschiedlich begründen. Zum Teil sind es Vorstellungen darüber, durch neue technische Lösungen Sicherheit für je spezifische Anwendungsfelder zu generieren bei gleichzeitiger Akzeptanz des Entstehens neuer Unsicherheiten durch eben jene Technologien. Des Weiteren ist das Feld der Sicherheitstechnologien ein wirtschaftlich ausgesprochen erfolgreiches und wachsendes Feld (vgl. auch Reckwitz 2017). Menschen vertrauen zudem durch die zeitgleich zunehmende Technisierung der privat genutzten Technik (IoT, Smart homes, Cloud Comuting, Social Media etc.) in Hinblick auf versprochene Wirkweisen. Nicht zuletzt lässt sich durch die Förderung innovativer Sicherheitstechnologien politisches Sicherheitshandeln kommunizieren, auch wenn es lediglich symbolischen Charakter hat.

Das Zusammenspiel von Technik und Gesellschaft wird dabei als Co-Production bzw. Co-Evolution verstanden und es ist nicht lediglich von technischen Entwicklungen, die sich auf die Gesellschaft auswirken zu sprechen. Technikentwicklung entsteht vielmehr zugleich au der Gesellschaft heraus, indem Bedürfnisse und normative Vorstellungen adressiert werden.

Anhand der Beispiele wird deutlich, dass Sicherheitstechnologien heute nicht mehr allein als Gegenstände fungieren, sondern in Form von Algorithmen und Daten als fluide Repräsentanten von Macht zu bezeichnen sind (Baumann 2007). Am Beispiel des gut dokumentieren Themenfeldes Überwachung lässt sich dies gut zeigen. Überwachung heute ist unsichtbar, günstig, automatisiert, die Daten sind beweglich, die Erfassung fortlaufend, und kontextlos (Marx 2002). Sie wird nicht mehr allein durch staatliche Machtakteure ausgeübt, sondern hat in Formen der Selbstvermessung und des Onlinehandels neue Formen angenommen, die insbesondere auf algorithmischen Prozessen basieren und Daten über alles und jeden generieren, speichern, auswerten und nutzbar machen.

Mit diesen Entwicklungen gehen zahlreiche, in der Literatur bereits vielseitig diskutierte Fragen und Herausforderungen einher, Beispiele sind:

  • Politische Entscheidungen werden auf technische Systeme outgesourced was die Frage nach der demokratischen Legitimität bzw. Kontrollierbarkeit durch Politik aufwirft? Daraus entsteht Intransparenz in der Herstellung von Sicherheit (Kontrolldefizit).
  • Diskriminierung auf Basis von Algorithmen (ADM)
  • Abhängigkeit von Technik und gleichzeitig Illusion der Sicherheit durch Technik; nicht intendierte Effekte
  • Digitalisierung vs. Privatsphäre, Autonomie, Selbstüberwachung (Quantified Self)

Das Forschungsprojekt zielt darauf ab, mögliche zukünftige Entwicklungen im Forschungsfeld der Sicherheitstechnologien als Zukunftsbilder darzustellen und zu beschreiben. Zukunftsbilder sind im Rahmen eines Szenarioprozesses entwickelte mögliche, konsistente und plausible Zukünfte die auf Basis gegenwärtigen Wissens erarbeitet werden. Sie dienen dazu Entwicklungen in verschiedenen Bereichen wie der Technikentwicklung selbst in Beziehung zu politischen, gesellschaftlichen, wirtschaftlichen und ökologischen Veränderungsprozessen zu setzen.

Ziel ist es, damit die soziotechnischen Konstellationen im Forschungsfeld Sicherheit in seiner Gesamtheit zu betrachten und das Mithandeln von Technologien in gesellschaftlichen Veränderungsprozessen wissenschaftlich zu erarbeiten.

Diese Zukunftsbilder verstehen wir als soziotechnische Imaginationen: “collectively held, institutionally stabilized, and publicly performed visions of desirable futures, animated by shared understandings of forms of social life and social order attainable through, and supportive of, advances in science and technology.” (Jasanoff)

Soziotechnische Imaginationen sind Zukunftsbilder, die von Kollektiven getragen werden und die irgendeine Form der institutionellen Verfasstheit wiederspiegeln und zugleich öffentlich gemacht werden (explizit oder implizit). Sie entstammen dabei den Vorstellungen einzelner, werden in Kollektiven aufgegriffen. Bsp: Institutionen, die für eine freie Gesellschaft eintreten und hieraus Zukunftsvorstellungen generieren z.B. aber auch politische Akteure wie „die Regierung“, welche soziotechnischen Systemen ein bestimmte Funktion in der Zukunft zuweist, können hierunter verstanden werden.

Es handelt sich dabei um wünschenswerte, d.h. normativ geprägte Formen der Zukunft, des „wie wollen wir leben“ bzw. „wie kann eine Gesellschaft funktionieren“. Dies schließt auch – und im Hinblick auf security besonders relevant – die Frage nach Vorstellungen über Ordnung und Sicherheit ein.

In der Konkurrenz verschiedener Imaginationen setzen sich einige durch, unterstützt durch verschiedene Treiber wie z.B. social- amplification of risk (in unserem Fall) oder Securitization prozesse. Ebenso kann hier das Konzept der Sicherheitskultur beschreibend und erklärend wirken, da es den Aushandlungsprozess normativer Vorstellungen darüber, was als Gefahr anzusehen ist und darüber, wie dieser begegnet werden soll, einschließt (Daase 2010).