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Forschungsfelder der AG Interdisziplinäre Sicherheitsforschung

Die Arbeitsgruppe wurde mit der Schaffung der Professur für Interdisziplinäre Sicherheitsforschung 2015 am Institut für Informatik der Freien Universität Berlin gegründet. Sie versteht sich einerseits als sozialwissenschaftlich ausgerichtete Reflexionsebene von sicherheitsrelevanten Entwicklungen und andererseits als Schnittstelle zwischen den Akteuren technologisch orientierter Sicherheitsforschung und politischen Entscheidern. Eigene – insbesondere inter- und transdisziplinär ausgerichtete – Forschungsvorhaben sowie die Aufbereitung und der Transfer von Wissen zählen zu den zentralen Elementen der Arbeitsgruppe.

Dabei erstrecken sich die wissenschaftlichen Forschungsfelder, die wir im Rahmen unserer interdisziplinären Sicherheitsforschung aus unterschiedlichen Perspektiven (Individualebene, gesellschaftliche Ebene, organisationale und institutionelle Ebene) adressieren, über folgende Bereiche:

1. Gesellschaftlicher Umgang mit Risiko und Unsicherheit

Die Frage wie sich Gesellschaften mit neuartigen Risiken und Bedrohungslagen auseinandersetzen und welchen Einfluss diese auf das soziale Zusammenleben haben, stellt sich heutzutage immer dringlicher. Die zunehmende Entgrenzung und Interdependenz globaler Risiken (Terrorismus, Klimawandel etc.) mündet in komplexen und schwer zu überblickenden Problemlagen, so dass ‚objektive‘ Risikokalkulationen insbesondere in Hinblick auf systemische Risiken oder uncertainties, die sich einer formal-analytischen Risikobestimmung entziehen, unmöglich sind. Wie sich soziale Beziehungen durch Phänomene dieser Art verändern und gestalten lassen, etwa im institutionellen, organisatorischen oder gemeinschaftlichen Umgang mit Risiken und Unsicherheiten, ist ein zentraler thematischer Komplex der innerhalb der Arbeitsgruppe bearbeitet wird.

2. Subjektive Risikowahrnehmung

Die subjektive Wahrnehmung von Risiken weicht in bestimmten Bereichen signifikant von relativ gut quantifizierbaren Risiken (Verkehrsunfälle, Herzinfarkte etc.) ab. Zugleich werden auch weniger gut bestimmbare Ereignisse (technische Störfälle, Katastrophen) in der Wahrscheinlichkeit ihres Auftretens häufig überschätzt. Diese Abweichungen lassen sich mittels verschiedener Konzepte erforschen. So argumentieren psychologisch-kognitive Ansätze, dass sich diese Verzerrungen in der subjektiven Risikoperzeption durch qualitative Merkmale von Risiken (Katastrophenpotential, Kontrollierbarkeit, Freiwilligkeit etc.) erklären lassen beziehungsweise der Rückgriff auf bestimmte kognitive Heuristiken, als Daumenregeln des Denkens, diese Abweichungen befördern. Im Gegensatz dazu gehen kulturell-soziologische Ansätze von Risiken als sozialen Konstruktionen aus und betonen den kulturellen Kontext als maßgeblichen Faktor. Dieser Aspekt markiert den zentralen Unterschied zu den universalistisch ausgerichteten psychologisch-kognitiven Ansätzen. Beide Konzeptionen dienen der Arbeitsgruppe als theoretische Basis zur Erforschung subjektiver Wahrnehmungsprozesse und deren gesellschaftlicher Implikationen.

3. Technikfolgenabschätzung und Technikakzeptanzforschung

Die Technikfolgenabschätzung befasst sich mit den Auswirkungen von technologischen Innovationen in sozialer, ethischer und rechtlicher Perspektive. Neben der Analyse von potenziellen Risiken und nicht intendierten Nebenfolgen sind hier die subjektiven Wahrnehmungen von betroffenen gesellschaftlichen Gruppen erneut von Interesse. So wird etwa in Form von Akzeptanzstudien versucht offen zu legen, wie individuelle Präferenzen und Nutzungsbarrieren in Bezug auf innovative technologische Systeme gelagert sind. Die technikdeterministische Ausrichtung des Instruments der Technikfolgenabschätzung ergänzt in dieser Weise eher konstruktivistisch ausgerichtete Ansätze. Für die Arbeitsgruppe stellen Verfahren wie das technology risk assessment eine adäquate Methode zur Erforschung der vielschichtigen Auswirkungen von Sicherheitstechnologien dar, die sich auf den ersten Blick nicht zwangsläufig erschließen lassen und somit eine tiefergehende Analyse erfordern.

4. Resilienz

Die Konjunktur des Resilienzkonzeptes lässt sich im Lichte der Entgrenzungs­dynamiken als Charakteristikum neuer Risiken verstehen. Es geht darum gegen nicht antizipierbare Schadensereignisse vorbereitet zu sein und diese möglichst gut zu verarbeiten. Dabei fällt auf, dass Resilienz ein schillernder Begriff ist, über dessen konkrete inhaltliche Ausrichtung jedoch weitgehend Uneinigkeit herrscht. Ob Resilienz also mit Anpassungsfähigkeit oder Robustheit, mit Struktur- oder Funktionserhalt zu assoziieren ist, hängt von der jeweiligen Perspektive ab. Neben der Attraktivität des Begriffes sowohl für die Natur- als auch für die Sozialwissenschaften, verspricht die begriffliche Wendung von Resilienz als Gegenpol zu Vulnerabilität und als allumfassender Ansatz neue Strategien des Umgangs mit Unsicherheiten. Innerhalb der Arbeitsgruppe ist der Begriff der Resilienz daher unerlässlich für die Auseinandersetzung mit sicherheitsbezogenen Entwicklungen.

5. Security Foresight & Methoden der Zukunftsforschung

Bedrohungen, Gefahren und Risiken lassen sich als gegenwärtige Zukünfte verstehen – als Ereignisse und Zustände, die möglicherweise eintreten werden. Welche Zukunft eintreten wird, ist prinzipiell offen und ungewiss. Dennoch müssen verschiedene Möglichkeiten der Zukunft entwickelt werden, um zielgerichtet Handeln zu können. Security Foresight untersucht diese Möglichkeiten im Hinblick auf einen erweitereten Zeithorizont von 15 bis 20 Jahren und nimmt dabei die sich verändernden Herausforderungen ebenso in den Blick wie mögliche Maßnahmen im Umgang mit diesen: von technischen Sicherheitslösungen bis zu kulturellen Anpassungsprozessen. Zentraler Ausgangspunkt ist dabei, Zukunft nicht als vordefiniert, sondern als veränder- und gestaltbar zu verstehen. Bei der Analyse möglicher, wahrscheinlicher und erwünschter Zukünfte greifen wir auf den Methodenbaukasten der wissenschaftlichen Zukunftsforschung zurück und  arbeiten mit Szenarioprozessen, (Real-Time)Delphis und partizipativen Verfahren. Grundlage der Befassung mit der Zukunft der Sicherheit sind dabei die Standards und Gütekriterien der wissenschaftlichen Zukunftsforschung.

6. Wissenstransfer

Die Forschungsarbeit der Arbeitsgruppe geht über die Erzeugungen systematischen Wissens über wissenschaftlich belegbare Zusammenhänge und die Reflektion dieser vor dem Hintergrund kultureller Gegebenheiten hinaus und verfolgt das Ziel, Instrumentelles Wissen über Handlungsmöglichkeiten und Orientierungswissen zu erarbeiten. Die Problemorientierung der Forschungsarbeit drückt sich in der Adressatenorientierung unserer Forschung aus. Ein wesentlicher Bestandteil der Bearbeitung sicherheitsrelevanter Fragestellungen ist damit der problembezogene Transfer von Wissen zu ausgewählten Themenbereichen der öffentlichen Sicherheit zwischen den wissenschaftlichen Disziplinen einerseits und zwischen Wissenschaft, Politik und Öffentlichkeit andererseits. Hierzu werden unterschiedliche Evidenzkonzepte (Wissenschaftlichkeit vs. Praxistauglichkeit), Kommunikationsstile (fachwissenschaftliche vs. populärwissenschaftliche Publikationen) sowie organisatorische Bedingungen betrachtet (Zeitmodi, akademische Zwänge vs. öffentliche Anforderungen).

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