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Zusammenfassung der Vorträge

Technisch ist das machbar! Die Ambivalenz von Sicherheitstechnologien und sozialen Medien

Ergebnisse aus den Forschungsprojekten SAFEST und KOLIBRI.

Gabriel Bartl, Deutsches Institut für Urbanistik

Stefanie Wahl, AGENON

Der Schlaglichtvortrag „Technisch ist das machbar! Die Ambivalenz von Sicherheits­technologien und sozialen Medien“ fokussierte auf zwei Bereiche. Zum einen fand die Implementierung sicherheitstechnischer Lösungen am Flughafen Beachtung. Zum anderen die Rolle von sozialen Medien in Bezug auf behördliche Krisenkommunikation.

Bei der Bewertung der technischen Sicherheitsproduktion am Flughafen wurden zunächst einmal unterschiedliche Akzeptanzfaktoren auf individueller (Alter, Geschlecht, Flughäufigkeit etc.) und sozialer Ebene (u.a. der Glaube in Technik als starker Prädiktor) hinsichtlich ihrer statistischen Erklärungskraft in Bezug auf die Akzeptanz vergleichend dargestellt (Datenbasis waren über 1.000 Flugpassagiere). Zwar existieren hier durchaus Unterschiede zwischen den Prädiktoren, bezüglich der durchschnittlichen Bewertung der Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen ist allerdings auf den ersten Blick kein wirkliches Akzeptanzproblem zu erkennen. Auf den zweiten Blick lassen sich aber sowohl die Ausprägungen als auch die Bedingungen von Akzeptanz kritisch betrachten, wobei diese beiden Dimensionen in Beziehung zueinander­stehen. Qualitative Befunde deuten darauf hin, dass die Akzeptanz der stark technisch umgesetzten Sicherheitsmaßnahmen am Flughafen zumeist als Ignoranz, Toleranz oder Resignation in Erscheinung tritt und nicht als informierte Einwilligung. Letzteres ist auch schwer herstellbar, wenn man Sicherheitstechnologien am Flughafen als intransparente „black boxes“ begreift. Der Akzeptanzkontext ist somit nicht unproblematisch und strukturiert die Qualität der Akzeptanz. Dass der Akzeptanzkontext auch sicherheitskulturell unterschiedlich beschaffen sein kann, lässt sich dem Vergleich von deutschen und britischen Passagieren entnehmen, der auf ein höheres Maß an Gewöhnungs- und Normalisierungseffekten bei den britischen Reisenden hindeutet. Insgesamt legen die Ergebnisse nahe, dass technisch zwar vieles machbar ist, die Frage aber darum kreisen sollte, wie technische Innovationen im Sicherheitsbereich die Gesellschaft verändern. Gerade bei politischen Implikationen, wie sie Sicherheitstechnologien im Security-Bereich häufig innewohnen, kann die Ambivalenz von Technik nämlich zum Problem werden.

Dies zeigt sich auch beim Einsatz von sozialen Medien zur Kommunikation von Lageinformationen. Wenngleich der Druck für Behörden, sich in diesem Bereich verstärkt zu engagieren, steigt, ist die Implementierung sozialer Medien zur Information und Kommunikation mit der Bevölkerung im internationalen Vergleich zwischen europäischen Staaten und den USA sehr unterschiedlich ausgeprägt. Hierzu wurden Kommunikations­verantwortliche von Behörden befragt und ihre Konzepte analysiert. Einige Behörden in Großbritannien stellen zum Beispiel digitale Medien in das Zentrum ihrer Katastrophen­kommunikation. Bei Behörden in Italien und Polen hingegen zeigt sich eine größere Zurückhaltung gegenüber der Nutzung sozialer Medien. Gleichzeitig ist man sich bewusst, dass sie für die Information zumindest eines Teils der Bevölkerung eine wichtige Rolle spielen. In einer Bevölkerungsbefragung zeigt sich, dass die Nutzung vor allem vom Alter und der bisherigen Erfahrung mit Katastrophen beeinflusst wird: Jüngere und katastrophen­erfahrenere Personen würden verstärkt soziale Medien nutzen, um sich im Ereignisfall zu informieren. Dabei können sich Bürger_innen nicht nur informieren, sondern auch an der Kommunikation von Lageinformationen partizipieren: Ansätze in Dänemark sehen Bürger_innen im Ereignisfall dabei auch als „Krisenkommunikator_innen“, die gemeinsam mit einer Gefahrenabwehrbehörde andere über die Lage informieren. Bürger_innen können zudem auch dem Katastrophenmanagement eigene wertvolle Lageinformationen zur Verfügung stellen, die die behördliche Lageerfassung und die Ereignisbewältigung unterstützen. Die Kehrseite hiervon zeigt sich in der Gefahr, dass sich durch eine verstärkte Nutzung von sozialen Medien auch Gerüchte bzw. Falschinformationen schneller verbreiten oder Gaffer durch ihre „Berichterstattung“ über einen Ereignisfall dessen Bewältigung beeinträchtigen. Um dieser Ambivalenz begegnen zu können und die Potenziale sozialer Medien für eine effektivere Kommunikation von Lageinformationen zu nutzen, sind nach Einschätzung aller Befragten vor allem ausreichend Ressourcen und eine substanzielle Integration in bisherige behördliche Kommunikationsstrukturen notwendig.  

Handlungsfähig bleiben! Forschung mit und über Einsatzkräfte

Ergebnisse aus den Forschungsprojekten REBEKA und Bildungsatlas Bevölkerungsschutz.

Sophie Kröling und Anna Guerrero Lara, Forschungsforum Öffentliche Sicherheit

Komplexe, teilweise unvorhersehbare und unbekannte Schadenslagen erfordern auf der Seite der Einsatz- und Führungskräfte im Bevölkerungsschutz eine zunehmend ausgeprägte Handlungskompetenz und Resilienz. Eine Möglichkeit die Handlungskompetenz der Einsatz- und Führungskräfte zu stärken, liegt in ihrer Aus- und Fortbildung. Die Ergebnisse einer explorativen Onlinebefragung mit Schulleitungen und Lehrpersonen aus dem Bevölkerungsschutz (n=108) zeigen, dass die Lehrpersonen einerseits wenig Freiraum für das selbstgesteuerte Lernen der Teilnehmenden lassen. Andererseits wenden sie Prinzipien der Handlungsorientierung, Lernerorientierung und Individualisierung bereits teilweise bis mehrheitlich an, um die notwendigen Kompetenzen für eine erfolgreiche Einsatzbewältigung zu trainieren. Zu diesen Kompetenzen zählen unter anderem auch Kenntnisse und Fertigkeiten des Führens unter hoher psychischer Belastung in komplexen Schadenslagen und der Psychosozialen Notfallvorsorge (PSNV), wie eine Analyse der Bildungsprogramme für Führungs- und Einsatzkräfte verdeutlicht. Die zuletzt genannten psychosozialen Präventionsmaßnahmen werden jedoch häufig nicht angeboten oder von den Einsatz- und Führungskräften nicht wahrgenommen, wie eine Umfrage im Rahmen des Projektes REBEKA (Resilienz von Einsatzkräften bei eigener Betroffenheit in Krisenlagen) zeigte. Im Projektrahmen wurden daher Sensibilisierungs- und Schulungsmaßnahmen entwickelt, die von jeder Organisation individuell angewendet werden können. Welche psychosozialen Ressourcen und Bewältigungsstrategien die Resilienz der Einsatz- und Führungskräfte steigern, wurde in einer Befragung von über 700 Teilnehmenden untersucht. Dabei zeigte sich, dass vor allem persönliche Ressourcen sowie aktive Bewältigungsstrategien zur Resilienzsteigerung beitragen und diese somit in Schulungsmaßnahmen gefördert werden sollten.