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Innenministerium und Forschungsforum veranstalten Fachkongress zu Risikokommunikation

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stv. Vorsitzender Zukunftsforum Öffentliche Sicherheit e.V. Dechamps, Dr. Gerhold, Beck, Parl. Staatsekretär Dr. Schröder, Prof. Dr. Ulbrich, Präsident der Freien Universität Berlin Prof. Dr. Alt, Prof. Dr.-Ing. Schiller

News vom 21.10.2011

Risikokommunikation als zentraler Bestandteil staatlichen Handelns war das Thema des diesjährigen Fachkongresses "Staatliche Risikokommunikation: Erwartung-Transparenz-Vertrauen", zu dem das Bundesministerium des Innern in Kooperation mit dem Forschungsforum am 17. Oktober geladen hatte. Rund 160 Teilnehmerinnen und Teilnehmer aus Politik,  Behörden, Verbänden, Organisationen und der Wirtschaft waren gekommen.

Der Parlamentarische Staatssekretär, Dr. Ole Schröder, der den Bundesinnenminister kurzfristig vertreten musste, hob in seiner Eröffnungsrede Vertrauen als Grundlage gelungener RK hervor. Gerade angesichts der Tatsache, dass es für den Einzelnen zunehmend schwierig ist, sich zwischen gefühlten, tatsächlichen und mediengetriebenen Risiken zu orientieren, ist die Wissenschaft gefragt. Sie sieht er in der Verantwortung zum Wissenstransfer, nämlich „Fachwissen [zu] ‚übersetzen‘, damit der Bürger eine valide Basis für seine Entscheidung hat“. Darüber hinaus sei es „wichtig, dass die Erkenntnisse der verschiedenen wissenschaftlichen Disziplinen miteinander vernetzt werden. Das Forschungsforum Öffentliche Sicherheit wählt genau diesen Ansatz (Sicherheit als Querschnittsaufgabe) als Ausgangspunkt seiner Arbeit. Es beschränkt sich bei seiner Forschung nicht auf eine rein quantitative Bewertung von Risiken, sondern bezieht auch gesellschaftliche Faktoren (wie subjektiv wahrgenommene Risiken) ein“. Schröder versicherte die Bereitschaft des BMI, die RKK „ entsprechend den heutigen Herausforderungen und Möglichkeiten weiterzuentwickeln“, die Ergebnisse der heutigen Diskussion würden als Ansporn begriffen. Die vollständige Rede finden Sie hier.

Im anschließenden Grußwort kam der Präsident der Freien Universität Berlin, Prof. Dr. Peter-André Alt, auf die gestiegene Bedeutung der Sicherheitsforschung an seiner Universität zu sprechen. 115 Forschungsprojekte beschäftigen sich direkt, indirekt oder peripher mit Sicherheitsforschung. Als eines, das sich sowohl direkt, als auch zentral und koordinierend mit Sicherheitsforschung befasst, nannte er das vom Bundesministerium für Bildung und Forschung geförderte Forschungsforum Öffentliche Sicherheit: „Das Projekt fokussiert die Schnittstelle von Wissenschaft und Politik. Auf der Seite der Wissenschaft steht die interdisziplinäre Bearbeitung von Themen der Sicherheit; auf der anderen Seite die Kommunikation der Ergebnisse in die Politik.“

Anschließend formulierten jeweils zwei Experten aus Sicht der Wissenschaft, der Medien und von Behörden in Fachvorträgen ihre Erwartungen an staatliche RK und ihre Einschätzung zu den damit verbundenen Herausforderungen:

  • Prof. Dr. Georg Ruhrmann (Universität Jena): Risikokommunikation – Grundlagen und Perspektiven aus Wissenschaft und Forschung
  • Elmar Thevesen (stv. Chefredakteur ZDF): Was die Medien erwarten und welche Rolle sie spielen können – Risikokommunikation in der Mediengesellschaft heute und morgen
  • PD Dr. Gaby-Fleur Böl (Bundesinstitut für Risikobewertung): Dioxin, EHEC, Pestizide – reales oder gefühltes Risiko? Plädoyer für proaktive und partizipative Risikokommunikation
  • Wolfram König (Bundesamt für Strahlenschutz): Strahlenschutz – eine staatliche Aufgabe im Spannungsfeld der wissenschaftlichen Erkenntnis und des wahrgenommenen Risikos
  • Prof. Dr. Hans Peter Peters(Forschungszentrum Jülich GmbH): Glaubwürdigkeit von Risikokommunikation – Voraussetzungen und Bedingungen
  • Dr. Jens Peter Paul (Journalist und Politikwissenschaftler): Geordnetes oder blankes Chaos – wie man in Krisen kommuniziert. Und wie nicht.

Die Themen Transparenz, Glaubwürdigkeit und Komplexität wurden besonders oft angesprochen. Komplexität, zum einen, weil immer mehr Akteure Verantwortung für Sicherheit tragen und immer mehr Medien am Kommunikationsgeschehen im Falle einer Krise mitwirken. Komplexität aber auch, weil Nachrichten von den Empfängern weniger auf ihren Inhalt hin,  als vielmehr in Bezug auf die Glaubwürdigkeit des Absenders beurteilt würden. Auf dieses Paradoxon wies Prof. Dr. Hans Peter Peters vom Forschungszentrum Jülich hin: Wird beispielsweise in der Zeitung darüber berichtet, dass eine von einem Pharmaunternehmen in Auftrag gegebene Studie die Unbedenklichkeit einer Substanz ermittelt hat, so nehmen die Leser meist das Gegenteil an: nun halten sie (erst recht) die Substanz für gefährlich, gerade weil der Auftrag von einem Unternehmen kam, dem sie Gewinnabsichten mit diesem Wirkstoff unterstellen. Insgesamt sei das Vertrauen in die Politik, mehr noch in die Wirtschaft, eher gering, in die Wissenschaft und die Rechtsprechung hingegen hoch.

Auch Wolfram König, Präsident des Bundesamtes für Strahlenschutz, konnte am Fallbeispiel des Quasi-Endlagers „Asse“ berichten, dass einmal verspielte Glaubwürdigkeit kaum mehr zurück zu gewinnen ist, egal welche Argumentationen oder Kommunikationsstrategien eingesetzt werden.

„Wer zweimal lügt, dem glaubt man nicht …“ – mit dieser Volksweisheit fasste Gerold Reichenbach, Bundestagsabgeordneter (SPD) im Innenausschuss, Vorsitzender des DKKV und Mitglied im Beirat des Forschungsforums, das Dilemma missratener RK zusammen.

Christoph Unger, Präsident des Bundesamtes für Bevölkerungsschutz und Katastrophenhilfe, diskutierte mit fünf Gästen zum  Thema „Für eine Transparente Gesellschaft – über Risiken transparent kommunizieren“:

  • Direktor Franz-Reinhard Habbel (Deutscher Städte- und Gemeindebund)
  • Prof. Dr. Christoph Gusy, Universität Bielefeld
  • Leitd. Branddirektor Dr. Peer Rechenbach, Behörde für Inneres Hamburg
  • Gerold Reichenbach, MdB, Mitglied des Steuerungskreises Forschungsforum Öffentliche Sicherheit
  • Clemens Graf von Waldburg-Zeil, Vorsitzender des Vorstandes des Deutschen Roten Kreuzes e.V.

Die Gäste stimmten darin überein, dass Transparenz die zentrale Achse einer erfolgreichen RK sei. In diesem Zusammenhang wurde speziell den mit Innerer Sicherheit betrauten Behörden ein gewisser Geheimhaltungsdrang attestiert, der kontraproduktiv sei. Zwar sei die Klassifizierung als „vertraulich“ oder gar „geheim“ grundsätzlich gerechtfertigt und auch manchmal notwendig, sie werde aber auch für Themen genutzt, für die dies nicht nachvollziehbar sei. Eine Risikodebatte zum Thema „Smart Grids“ sei beispielsweise unterentwickelt, waren sich der Abgeordnete Reichenbach und der Direktor des Städte- und Gemeindebundes, Franz Reinhard Habbel, einig: „Jetzt, vor dem Ausbau, müssen die Sicherheitsstandards definiert werden, sonst ist es zu spät.“ Sie mahnten an, dass man bei der Risikoanalyse nicht stehen bleiben dürfe, es ginge auch um Bewältigungsstrategien. So weit zu gehen, wie es Dr. Jens-Peter Paul, Statement TV, in seinem Vortrag unter dem Begriff „Stage Diving“ empfohlen hatte, wollten die Diskutanten jedoch nicht gehen. Über alle möglichen Risiken nur zu informieren, ohne sich an Deutungsmöglichkeiten zu beteiligen setze einen völlig rationalen öffentlichen Diskurs voraus, der durch die Eigeninteressen der unterschiedlichen Akteure, allen voran die Medien, jedoch nicht gegeben sei.

 

Marie-Luise Beck

 

Das Programm der Veranstaltung finden Sie hier.

Die Vorträge der Referenten finden Sie hier:

Dr. Jens Peter Paul